Bischofszell |
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Unsere Vorfahren haben vor allem in der Ostschweiz gelebt. Mit gewissen Orten sind wir besonders eng verbunden. Einige dieser Orte möchte ich mit ihren Geschichten hier kurz vorstellen. Es lohnt sich, auch die verlinkten Texte zu lesen, die uns dem Leben unserer Vorfahren näher bringen.
Der Bischofszeller Stadtbrand vom 17. Mai 1743. Radierung von David Herrliberger (Zentralbibliothek Zürich)
Der vom Verlagshaus Herrliberger in Zürich veröffentlichte Stich dokumentiert die Katastrophe. Er ist laut einer Ankündigung in den Donnstags-Nachrichten vom 20. Juni 1743 knapp einen Monat nach den Ereignissen erschienen.
Das Stadtwappen von Bischofszell zeigt in früheren Zeiten einen Arm mit einem Bischofsstab, z.T. befindet sich der Arm in einer Rüstung. Nach dem Brand wurden dem Wappen drei Sterne und drei Feuerzungen hinzugefügt. 1924 hatten sich die Stadtväter an die alte Form erinnert und das Wappen modern gestaltet.
«Auf was für eine empfindliche Weise der gerechte und heilige Gott nach seinen unerforschlichen Gerichten das vorhin florierende Bischoffszell durch eine sehr große betrübte und höchst verderbliche Feuers-Brunst heimgesucht, vernehme der mitleidige Leser aus hernach folgenden Umständen.»
Es lohnt sich, den gesamten Text über die Feuerbrunst, der aus dem Thurgauer Jahrbuch von 1943 stammt, zu lesen. Diesen hier vollständig widerzugeben würde den Rahmen der Website sprengen. Wir tauchen in diesem Text in das Leben unserer Vorfahren um 1750 in Bischofszell ein und können so manche Anekdote miterleben.
Link: Der Brand zu Bischofszell im Jahre 1743
Hier wenige kurze Ausschnitte:
"Das Rathaus fällt dem Element zum Opfer samt den darin aufbewahrten Feuerkübeln. Denn als die Wächter aus vollem Halse Fürio schreien, fahren die Leute erschreckt aus dem ersten Schlafe auf. Wer sein Haus schon in Brand sieht, sucht dürftig, oft nur mit dem Hemde bekleidet, sein nacktes Leben zu retten. Viele der Herren Burger müssen sich anderntags in schlechten oder entlehnten Kleidern, ohne Rock, Perücke oder Hut auf den Straßen sehen lassen. Die Weiber, meistens in der Vorstadt oder außerhalb der Mauern «salviert», dürfen sich in ihren «habit» überhaupt nicht zeigen." (salvieren: retten / habit: hier ist die Kleidung gemeint)
"Die Brandröte ist über den Bodensee bis Meersburg sichtbar. In Bischofszell selbst müssen sie das Sturmläuten vom Kirchturm einstellen; die Hitze steigt dort ins Unerträgliche. In den Kellern beginnen Wein und Most zu sieden."
"Über tausend Neugierige trafen im Verlaufe dieses «schweren Gerichtes Gottes» ein. Mit den Neugierigen tauchten Schelme und Tagediebe auf, wie es noch heute zu gehen pflegt: Der Wunderfitz folgt der christlichen Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft auf dem Fuße und die Dunkelmänner der menschlichen Gesellschaft, die im Schutze der allgemeinen Verwirrung kommen, schließen im Gefolge hart an. Es wurde gestohlen, wie es, nach Zeugnis des Chronisten (J. Diethelm), «bei unchristlichen Völkern und Barbaren nicht einmal vorgekommen wäre»."
Erst im Jahre 1747 begann man mit dem Neubau des Rathauses, das am 27. Dezember 1750 "im Beisein sämtlicher Honoritäten, des Obervogtes und eines bischöflichen Vertreters" eingeweiht wurde. (Das zweite Bild zeigt ein Modell des Rathauses im Swiss Miniature in Melide.)
"So erhält das Städtchen mitten im Ring solider, harmonisch aber etwas trocken gebauter Bürgerhäuser ein köstliches Juwel südlicher Baukunst, einen italienischen Barockbau mit französischem Mansardendach. Wunderbar ruhig und klar wirkt die Fünfteilung der Fassade. Wenn auch der kleine, für ein Landstädtchen reichliche Zierat ganz dem spielerischen Rokoko huldigt und die antiken Büsten über den Fenstern der damaligen klassizistisehen Strömung gestrenge Reverenz erweisen, so fällt doch kein Bauglied aus der Harmonie des Ganzen."
"Diethelm hat uns Bagnatos Rezept übermittelt: ein fleischfarbiger Besenwurf mit englischer Erden und Kalk vermischt. Den Steinmetz Held aber hieß man die Fensterrahmen streichen: außen mit Nußbaumfarb und innen perlfarbig, das Stück zu 33 Kreuzer, «sauber und ohne klag». Leider verzichtete die Stadt auf Bagnatos Angebot, den Burgersaal von einem berühmtenMeister um 250 Gulden ausmalen zu lassen."
"Wohl mancher buchstabierte am feierlichen Einweihungstage vergeblich am Chronogramm des Caspar Mauch (Pfarrer zu Oberglatt im Toggenburg) herum, welches der «Salzburger» dann in vergoldeten Buchstaben über dem Tor anbrachte und das den Bischofszellern aus den Tagen der Schrecknis, der Verwirrung und der Aufregung den Weg in eine ruhigere, blühendere Zeit weisen sollte: LeX fVIt, est et erlt VnIVersaLls, Dato CVIqVe sVVM. (V u. «Recht war, ist und wird immer überall sein, wenn jedem das Seine gegeben.» Die groß geschriebenen Ziffern ergeben zusammen das Einweihungsdatum 1750."
Im Bericht finden sich viele Namen, die in unserem Stammbaum ebenfalls auftauchen: Eine tragende Person in diesem Bericht ist Jakob Kaspar Diethelm (1705-1767), Dr. und Stadtschreiber zwischen 1724 und 1764, Ehemann meiner Cousine 7. Grades. Dann Benjamin Lieb (1728-1795), der vermutliche Auslöser des Brandes, Urgrossonkel meines Urgrossvaters, und Abraham Gonzenbach (1687-1759), in dessen Haus sich der Brandherd zuerst durchfrass, Cousin des Partners der Halbschwester meines direkten Vorfahren (8 Generationen). Im Scherb'schen Haus lebte damals der 7-jährige Jakob Christoph Scherb (1736-1811), der Mittelpunkt der Scherb'schen Ärztedynastie und dritter Cousin fünten Grades, und dessen Grossvater Jakob Christoph Scherb (1662-1748) die beiden Häuser "zum Rosenstockk" und "zum Weinstock" von Grubenmann bauen liess, der das spätere Rathaus erstellte. Bezeichnenderweise tauchen in den Stammbaumdaten in diesem Famileinzweig oft detaillierte Todesursachen auf, alle mit lateinischen Bezeichnungen.
Stadtplan St.Gallen um 1650, Staatsarchiv St.Gallen